Das Beitragsbild ist von heute: Die Schulleiterin hat angeordnet, dass mal wieder ein Kunstprojekt an der Tagesordnung ist. Bei all den vielen Unsicherheiten und unterschiedlichen Ansagen, die man in Malawi gerade erlebt, ist die Entscheidung, gemeinsam etwas Kreatives zu gestalten, genau die richtige!
Wie das Nachrichtenportal AlJazeera am 17.04.2020 berichtete, hatte eine Menschenrechtsorganisation (Malawi Human Rights Defenders Coalition – HRDC) vor zwei Wochen erreicht, dass die Ausgangssperren durch eine gerichtliche Anordnung um eine Woche verschoben werden sollte. Seitdem gibt es nur einen „partiellen Lockdown“, wo Schulen und andere öffentliche Einrichtungen geschlossen sind, also Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen wie bei uns. Theoretisch sollen auch keine Lebensmittel mehr am Straßenrand verkauft werden. Aber auch wenn Polizisten die Verkäufer verjagen: Sie kommen immer wieder zurück oder suchen sich eine andere Stelle.
Es ist eigentlich undenkbar in einem Land, wo das meiste auf der Straße passiert, eine Ausgangssperre anzuordnen. Deswegen bestätigte der Oberste Gerichtshof des Landes letzte Woche seine erste Anordnung, mit der Begründung, dass eine Ausgangssperre Menschenrechte verletzen würde. Menschenrechtsorganisationen hatten dazu eine Petition eingereicht. News24 und BBC berichteten davon. Die Regierung hätte nicht für entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen gesorgt, um die Ärmsten und Gefährdetsten vor den Folgen einer Ausgangssperre zu schützen. Der Oberste Gerichtshof gab diesen Fall nun weiter an das Verfassungsgericht. Solange die Verfassungsrichter sich nicht zu dazu geäußert hätten, dürfte eine Ausgangssperre auch nicht durchgesetzt werden.
Als Reaktion auf diesen Beschluss kündigte die Regierung vor einer Woche an, an 172.000 Haushalte einen monatlichen Zuschuss von $50 von Mai beginnend für sechs Monate über ein Handy-Geldtransfer-System auszuzahlen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Malawis lebt unter der Armutsgrenze und lebt von der Hand in den Mund – ein Konzept, was den meisten Europäern völlig fremd ist.
Bisher sind 41 Covid-19-Fälle bekannt, allerdings ist die Frage, wie verlässlich diese Zahlen sind, denn es wird bei weitem nicht so viel getestet wie bei uns. Allerdings wird die Krankheit auch nicht von allen Malawiern als Gefahr eingestuft. Annie berichtete mir, dass ihre Mitarbeiter Gesichtsmasken bei der Arbeit tragen und von den Bewohnern der umliegenden Dörfern ausgelacht werden. Sie erzählte auch, dass die Gesundheitsbehörde die Kontaktpersonen eines Covid-19-Patienten testen wollten und bei ihrer Ankunft bedroht wurden. Keiner aus diesem Dorf hat sich testen lassen. Annie macht das niedrige Bildungsniveau für diese Reaktion verantwortlich.
Man kann aber auch dem Präsidenten, Peter Mutharika, keine vollkommene Untätigkeit vorwerfen. Das Nachrichtenportal evangelisch.de berichtete Anfang April, dass er gemeinsam mit seinen Ministern drei Monate lang auf 10 Prozent seines Gehalts verzichten wolle, um das Geld für die Bekämpfung des Coronavirus zu nutzen. Außerdem sollte der Benzinpreis gesenkt werden, um die Armen zu entlasten. Trotzdem waren die Menschenrechtsorganisationen in Malawi nicht die einzigen, die vor schlimmen Folgen eines Lockdowns gewarnt haben. Auch Entwicklungsminister Müller wurde letzte Woche auf Tagesschau.de in einem Artikel mit der Überschrift „Müller warnt vor Hunger-Pandemie“ zitiert. In dem Artikel, welcher sich mit der Situation in ganz Afrika befasst, heißt es:
„Viele sterben nicht am Virus, sondern am Hunger, den das Virus schafft. Ausgangssperren verhindern, dass Felder bestellt oder Lebensmittel geliefert werden. Tagelöhner verdienen kein Geld. Die Preise steigen teilweise auf den höchsten Stand seit 2008 – schon jetzt. Dazu das Virus selbst.“
Ein weiterer Beitrag auf Tagesschau.de zeigt, dass viele afrikanische Regierungen und vor allem NGOs versuchen, das Hungerproblem durch das Austeilen von Essen zu verringern. Doch wenn es nicht reicht, brechen leicht Tumulte aus. Hunger – das ist etwas, was in Europa die Mehrheit in dieser Dimension nicht kennt.
Wichtig ist, dass wir unsere Augen nicht davor verschließen oder denken, dass man sowieso nichts machen kann, denn das stimmt nicht! Ich möchte den Beitrag mit einem Hoffnungsschimmer enden lassen. Am 19.04.2020 wurde in den Tagesthemen von einem innovativen Drohnenprojekt in Malawi berichtet (ab 09:45). Natürlich ist der Einsatz von Drohnen auch in vielen anderen afrikanischen Ländern schon an der Tagesordnung und bestimmt stehen auch nicht nur selbstlose Motive hinter solchen Innovationen, sondern sicherlich auch wirtschaftliche. Aber sie geben wieder einer Handvoll Menschen eine Perspektive: Kleine Schritte sind besser als gar keine und noch viel besser als Rückschritte!