Im März 2019 wurde eine Studie mit dem Titel „Traditional Practices in Malawi“ (Deutsch: Traditionelle Praktiken in Malawi) veröffentlicht und kann auf der UNICEF-Seite heruntergeladen werden (HIER).
Das Ziel der Studie war, herauszufinden, warum bisherige Maßnahmen noch keine flächendeckende Wirkung zeigen. Es wurde vermutet, dass es noch Antriebskräfte für die stark sexualisierten traditionellen Praktiken gibt. Es wurden 7,494 Personen befragt.
Wie in der anderen Studie schon erwähnt, wird auch hier festgestellt, dass viele Befragten die Schule vorzeitig abgebrochen haben, größtenteils aufgrund mangelnder Finanzen. Frauen sind davon aber landesweit mehr betroffen als Männer.
Kinder-Ehen verletzen die Kinderrechte. Trotzdem sind sie in Malawi noch gängig. 9% der befragten Frauen waren vor ihrem 15. Lebensjahr verheiratet, 42% vor ihrem 18. Lebensjahr. Kinder-Ehen kommen sowohl in städtischen als auch in ländlichen Regionen vor. Die Mehrheit stimmte zu, dass die Volljährigkeit für eine Heirat angemessen wäre. Als Gründe für eine Eheschließung wurden angegeben:
- Familiengründung
- Unabhängig werden
- Ungeplante Schwangerschaften
- Armut
Obwohl landesweit die meisten selbst entscheiden durften, wen sie heiraten, wurde im Süden bei 15% der Befragten diese Entscheidung durch die Familie getroffen.
Kinder-Ehen werden auch bei dieser Studie in einem klaren Zusammenhang mit Schulabbrüchen gesehen, was wiederum die Möglichkeiten, die ein Kind in der Zukunft hat, stark einschränkt. Auch gesundheitliche Risiken werden als Folge genannt, da die körperlichen Entwicklungen noch nicht immer abgeschlossen sind.
Mädchen nehmen öfter an Initiationsriten teil als Jungen. Im landesweiten Durchschnitt gaben 39% der befragten Frauen an, an einem Ritus teilgenommen zu haben. Im Süden sind es sogar 65%. Diese Riten beinhalten sowohl sexuell- als auch nicht-sexuell-orientierte Sitzungen. Letzte beinhalten gutes Benehmen und Haushaltsführung. Die sexuell-orientierten Sitzungen beinhalten Schamlippen-Dehnung, Beschneidung, sexuelle Unterweisung und Übung. Etwa 1/3 der Befragten sieht keinen Wert in diesen Initiationsriten. Die Hauptentscheidungsträger, die die Jungen und Mädchen beeinflussen und sie darin bestärken, an diesen Riten teilzunehmen, sind Familienmitglieder, Dorf-Älteste und Dorf-Vorsteher. In einigen Fällen kommt der Wunsch von den Kindern selbst. In der Tradition nehmen die Riten eine wichtige Rolle ein. Zum Teil sind sie kostenlos, zum Teil werden Preise bis zu fast umgerechnet 60€ verlangt – in einem Land, wo viele Menschen unter der Armutsgrenze leben. Teilweise wissen die Befragten auch nicht, wo das Geld hinfließt.
Einen Schwerpunkt legte die Studie auf die sogenannte Fisi-Tradition, wo Mädchen von einem erwachsenen Mann besucht werden und mit ihm Geschlechtsverkehr haben, um die sexuelle Initiation abzuschließen. Im südlichen Malawi gaben 80% der Befragten an, dass das dort gängige Praxis ist. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, dass sie nicht wissen, wer in dieser Tradition die Entscheidungsträger sind. Die Praktiken setzen die Mädchen aber der Gefahr aus, dass sie sexuell übertragbare Krankheiten, wie HIV/AIDS, bekommen oder ungewollt schwanger werden. Psychische Folgen werden nicht thematisiert.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse schließt mit den folgenden Worten:
„Während Kultur ein essenziell wichtiger Teil der Identität einer Gesellschaft ist, sollte sie Fortschritt, Entwicklung und Wohlstand nicht im Weg stehen. (…) Das letzte Ziel sollte sein, sicherzustellen, dass die jugendlichen Mädchen frei von Gewalt und Diskriminierung leben können. Von den internationalen Menschenrechten geleitet, welche für jeden Menschen gelten, sollte jedes Mädchen, egal, wo sie geboren wurde, die Chance haben, ihr volles Potential zu entfalten.“
Unsere Kondanani-Kinder müssen nicht heiraten, weil sie zu arm sind, aus Versehen schwanger geworden sind oder aus einem Zuhause kommen, was von Gewalt und Missbrauch geprägt ist. Sie müssen nicht an Initiationsriten teilnehmen und wachsen frei von dem Druck auf, den Dorftraditionen folgen zu müssen. Sie dürfen und sollen zur Schule gehen, bis sie 18 sind, und dann eine Berufsausbildung oder ein Studium absolvieren.
Es ist auf der einen Seite katastrophal zu lesen, was manche Kinder und Frauen erleben müssen und mussten. Gleichzeitig ist es notwendig, dass Forschungsergebnisse öffentlich bekannt gemacht werden und eine Diskussion darüber – vor allem vor Ort – in Gang gesetzt wird. Auch erhöht sich dadurch der Druck auf die Regierung.
Aber es gibt Projekte, die Hoffnung machen und zu einer Veränderung und einem Umdenken beitragen können. Diese Projekte sind häufig noch auf unsere Unterstützung angewiesen, da sie von Freiwilligen begonnen und aufgebaut wurden. Kondanani mag für manche nur wie ein kleiner Tropfen auf einem heißen Stein sein. Aber die meisten Berater und Coaches werden einem die folgende Lebensphilosophie mit auf den Weg geben:
„Große Ziele erreicht man mit kleinen Schritten“.
Und mein vielleicht schon bekannter Standardsatz ist:
„Auch kleine Spendenbeträge können in Malawi viel bewirken.“
Und große natürlich noch viel mehr! Laufende Kosten sind wahrscheinlich die unattraktivsten Spendenanlässe, aber sie sind notwendig, um jeden Tag die 150 Mägen zu füllen und jeden Monat die Gehälter für die lokalen Mitarbeiter zu bezahlen, die die praktische Arbeit tun, die wir von hier aus nicht tun könnten.
Vielen Dank für eure Unterstützung! Sie wird gebraucht!